Amylase-Trypsin-Inhibitoren

Zuletzt aktualisiert am: 13.02.2024

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Synonym(e)

ATI; ATIs; wheat amylase-trypsin inhibitors

Erstbeschreiber

Amylase-Trypsin-Inhibitoren wurden erstmals in den 1940er Jahren untersucht. Sie sind als Allergene gut charakterisiert, insbesondere bei Bäckerasthma (eine Atemwegsallergie auf das Einatmen von Weizenmehl) und Bäckereiekzem, aber auch bei Lebensmittelallergien gegen Weizen. In jüngster Zeit hat das Interesse an ATIs wieder zugenommen, da angenommen wird, dass sie eine ätiologische Rolle bei der Zöliakie und der Nicht-Zöliakie-Weizen-Sensitivität (NCWS) spielen. 

Definition

Amylase-Trypsin-Inhibitoren, kurz: ATI, sind pflanzliche Eiweiße, die unter anderem bei der Keimung eine Rolle spielen und die Pflanze vor Fressfeinden schützen. Sie kommen in allen Weizensorten vor. ATIs blockieren das stärkeabbauende Enzym Amylase und das proteinabbauende Trypsin. Amylase zerlegt die als Kohlenhydratspeicher dienende Stärke in Glukose und macht damit den wichtigsten Energielieferanten für den Keimling verfügbar.

Allgemeine Information

Weizen-ATI können bei Patienten mit entzündlichen Erkrankungen Beschwerden innerhalb und außerhalb des Darms auslösen. ATI aktivieren das Darmimmunsystem und triggern Entzündungen, was chronisch-entzündliche Krankheiten wie Rheuma oder Morbus Crohn verschlechtern kann. Es wird vermutet, dass sie, bei einer entsprechenden Unverträglichkeit, eine der Ursachen für eine Nicht-Zöliakie-Weizen-Sensitivität sind. Eine ATI-Sensitivität lässt sich bislang mit einem spezifischen Bluttest nicht nachweisen

Vorkommen

ATIs finden sich auch in anderen Getreiden, die mit Weizen verwandt sind wie: Roggen, Dinkel, Emmer, Gerste, Einkorn und Khorasan-Weizen. Der ATI-Gehalt kann je nach Standort und Sorte erheblich schwanken. Getreidearten, die nicht mit Weizen verwandt sind, können ebenfalls ATIs enthalten: zum Beispiel Buchweizen, Teff, Soja, Hirse. Diese ATIs sind von ihrer Molekülstruktur jedoch anders aufgebaut als die Weizen-ATIs.

ATIs kommen in mehreren Isoformen vor, die sich in den Mengen unterscheiden, die in den verschiedenen Weizensorten (einschließlich alter und moderner Weizenarten) vorhanden sind. Die Messung der ATIs und ihrer Isoformen ist eine analytische Herausforderung, ebenso wie ihre Isolierung (Geisslitz S et al. 2022). ATIs werden mit unerwünschten Reaktionen auf Weizenexposition in Verbindung gebracht, z. B. mit Atemwegs- und Nahrungsmittelallergien sowie mit entzündlichen Darmreaktionen im Zusammenhang mit Zöliakie und der Nicht-Zöliakie-Weizen-Sensitivität.

Bemerkung: Der Großteil des weltweit angebauten Weizens ist hexaploider Weizen (Triticum aestivum L., auch bekannt als Brotweizen", Weichweizen" oder Weichweizen"), etwa 5 % sind tetraploider Hartweizen (Triticum durum, auch bekannt als Nudelweizen" oder Hartweizen"). Hexaploider Weizen und Hartweizen wurden insbesondere in den letzten 60 Jahren durch intensive Züchtung gezüchtet. In den wissenschaftlichen, populären und sozialen Medien wird erwähnt, dass der Schwerpunkt der modernen Züchtung auf der Steigerung des Ertrags, der Verbesserung der Resistenz gegen Pilzkrankheiten und der Verbesserung der Verarbeitungsqualität zu einer verminderten Nährstoffqualität und einem erhöhten Gehalt an "natürlichen Pflanzenschutzmitteln", einschließlich der ATIs, geführt hat. In ähnlicher Weise wurde vermutet, dass ältere Weizensorten (oft als "alte" und "historische" Weizenarten bezeichnet) geringere Mengen an ATIs enthalten (Zevallos VF et al. 2017). Für Letzteres finden sich auch gegenteilige Angaben! 

Klinisches Bild

Weizenallergie: Die klassische Nahrungsmittelallergie gegen Weizen hat eine niedrige Prävalenz und tritt eher bei Kindern Prävalnez von etwa 9%) auf, die in der Regel aus der Allergie herauswachsen, was zu einer geschätzten Prävalenz von 0,1 % bis 0,3 % bei Erwachsenen führt (Nwaru B et al. (2014). Viele Proteine, darunter eine Reihe von Isoformen der ATIs, wurden mit der Auslösung einer Reaktion bei Herausforderungen in Verbindung gebracht, die zu hohen Konzentrationen des entsprechenden Immunglobulins E (IgE) führt (Šotkovský P et. al. 2011). ATIs sind jedoch nicht mit der schwersten allergischen Reaktion auf Weizen (Anaphylaxie) assoziiert, bei der Glutenproteine die Hauptakteure sind (Scherf KA et al. 2016).

Eine allergische Reaktion auf ATIs spielt beim Bäckerasthma eine Rolle. Dieses ist in vielen Ländern die häufigste berufsbedingte Allergie (z. B. sind 40 % der Bäcker in England betroffen). Es handelt sich um eine typische allergische Reaktion der Atemwege, die durch erhöhte IgE-Werte gegen eine Reihe von Proteinen gekennzeichnet ist, insbesondere gegen ATIs, aber auch gegen Glutenproteine. Allerdings können Patienten mit Bäckerasthma den Verzehr von Weizenbrot tolerieren (Armentia A et al. 2009). In-vitro-Studien deuten darauf hin, dass ATIs angeborene enteritische Immunreaktionen auslösen können. Diese Vermutung bedarf weitere Studien.

Zöliakie: Die autoimmunologische durch eine entzündliche T-Zellen-Reaktion vermittelt Zöliakie (CD) ist die am weitesten verbreitete und am besten charakterisierte unerwünschte Reaktion auf den Verzehr von Gluten. Die Identifizierung von Weizenglutenproteinen als Hauptauslöser der CD geht auf die 1950er Jahre zurück. Seitdem wurden etwa 40 CD-aktive Peptide (kurze Aminosäuresequenzen -Epitope- die vom Immunsystem erkannt werden) in Weizenglutenproteinen (Gliadine und Gluteninen) und verwandten Proteinen aus Gerste und Roggen identifiziert (Sollid LM et al. 2020). Zusätzlich wurden jedoch auch anderer Proteine wie auch ATIs identifiziert, die möglicherweise bei der CD eine auslösende Rolle spielen (Junker Y et al. 2012; Zevallos VF et al. 2017). Obwohl Glutenproteine die Hauptauslöser der CD sind, ist die Rolle anderer Proteine und Auslöser einschließlich der Amylase-Trypsin-Inhibitoren weniger klar und bedarf weiterer Forschung (Geisslitz S et al. 2022).

Nicht-Zöliakie-Weizen-Sensitivität (NCWS): Nach dem Verzehr von Weizenprodukten treten unerwünschten Wirkungen auf, die nicht auf eine Zöliakie zurückzuführen sind. Dazu gehören gastrointestinale Symptome wie Blähungen und Durchfall/lockerer Stuhl, aber auch allgemeinere Symptome wie Müdigkeit, Kopfschmerzen, Muskel- und Gelenkschmerzen, Depressionen und Angstzustände (Brouns F et al. 2019). Die Diagnose von NCWS ist jedoch in der Praxis schwierig, da die meisten Patienten eine Selbstdiagnose stellen, die genaue Prävalenz ist daher schwierig zu bestimmen. Daher schwanken selbst wissenschaftlich fundierte Schätzungen stark und reichen von <1 % bis zu etwa 10 % der Bevölkerung (Sapone A et al. 2012).

FODMAPs: FODMAPs, das Akronym für: „fermentierbare Oligosaccharide, Disaccharide, Monosaccharide und Polyole“  sind Zucker, die im Dünndarm schlecht resorbiert, aber im Dickdarm fermentiert werden, werden als weitere Ursache der NCWS-Symptomatik vermutet (Laatikainen R et al. 2017). Es ist jedoch allgemeiner Konsens, dass FODMAPs zwar zu Darmbeschwerden aufgrund von Gasbildung/Blähungen und osmotischen Effekten/Laxation führen können, dass aber diese Symptome nicht spezifisch für die FODMAPs des Weizens sind (Geisslitz S et al. 2022).

Hinweis(e)

Obwohl es keine allgemein anerkannte Definition von "alten" Weizensorten gibt, wird der Begriff meist auf drei Weizensorten angewandt, die früher weit verbreitet waren, heute aber aufgrund ihrer relativ geringen Erträge nur noch in geringem Umfang angebaut werden. Dabei handelt es sich um diploides Einkorn, tetraploiden Emmer und hexaploiden Dinkel .

Literatur
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  1. Armentia A et al. (2009) Why can patients with baker's asthma tolerate wheat flour ingestion? Is wheat pollen allergy relevant? Allergol Immunopathol 37:203–204.
  2. Brouns F et al. (2019) Adverse reactions to wheat or wheat components. Compr Rev Food Sci F. 18:1437–1452.
  3. Catassi C et al. (2015) Diagnosis of non-celiac gluten sensitivity (NCGS): The Salerno Experts' Criteria. Nutrients 7:4966–4977.
  4. Geisslitz S et al. (2022) Wheat amylase/trypsin inhibitors (ATIs): occurrence, function and health aspects. Eur J Nutr 61:2873-2880.
  5. Junker Y et al. (2012) Wheat amylase trypsin inhibitors drive intestinal inflammation via activation of toll-like receptor 4. J Exp Med 209:2395–2408.
  6. Laatikainen R et al. (2017) Pilot tudy: Comparison of sourdough wheat bread and yeast-fermented wheat bread in individuals with wheat sensitivity and irritable bowel syndrome. Nutrients 9:1215.
  7. Nwaru B et al. (2014) Prevalence of common food allergies in Europe: a systematic review and meta-analysis. Allergy 69:992–1007.
  8. Sapone A et al. (2012) Spectrum of gluten-related disorders: consensus on new nomenclature and classification. BMC Med 10:13.
  9. Scherf KA et al. (2016) Wheat-dependent exercise-induced anaphylaxis. Clin Exp Allergy. 46:10–20.
  10. Schuppan D et al. (2019) Wheat Syndromes. Springer International Publishing, Basel. ISBN 3030190226
  11. Sollid LM et al. (2020) Update 2020: nomenclature and listing of celiac disease–relevant gluten epitopes recognized by CD4+ T cells. Immunogenetics 72:85–88.
  12. Šotkovský P et. al. (2011) A new approach to the isolation and characterization of wheat flour allergens. Clin Experim Allergy 41:1031–1043.
  13. Zevallos VF et al. (2017) Nutritional wheat amylase-trypsin inhibitors promote intestinal inflammation via activation of myeloid cells. Gastroenterology 152(5):1100–1113.
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Autoren

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